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35 Jahre „Junge Bühne der Realschule“ – Stefan Kowalsky übernimmt Leitung 65 Inszenierungen mit 150 000 Besuchern  

Eine Theater-AG wurde Schulprofil, mehrfach künstlerisch und für ihr Engagement ausgezeichnet, im vergangenen Jahr als einzige Schule zum 175-jährigen Bestehen des Theateramateurverbandes in Berlin eingeladen, im Landesverband verantwortlich involviert und sie leistet seit 35 Jahren kontinuierliche Theatererziehung.


Die komplette Truppe bei „Pippi Langstrumpf“

Klappstühle im Garten des freche hus, wo gerade noch Tomatenpflanzen wuchsen, eine erhöhte Bühne, so fing es an. Die Konzeption war und ist, Erwachsenenrollen von Erwachsenen und Kinderrollen von Kindern spielen zu lassen: Eine Chance, auch eine pädagogische, die nur das Amateurtheater bietet und  ihren Charme ausmacht. Die Stücke, Klassiker des Kindertheaters und Musicals entwickelten sich bald zu Zuschauermagneten. Getragen wurde die AG von den beiden Regisseuren Arthur Hilberer und Johanna Graupe, Choreographin und Maskenbildnerin Silvia Baumgärtner, schließlich ergänzt durch Theaterpädagogin Tanja Lüttner und neu verstärkt durch Stefan Kowalsky. Ehemalige, inzwischen ausgebildete Techniker  und studierte Schauspieler und Musiker beraten und übernehmen wie Carsten Dittrich Regieaufgaben, fertigen Musikarrangements wie Timo Riegelsberger.


„Momo“ mit dem neuen Leiter Stefan Kowalsky als Grauer Herr und Viktoria Goldmann als Momo

Eine schulische AG dieser Größenordnung – zurzeit sind es über 80 Theaterspieler und 10 Techniker ist von der Größe, Kontinuität und Wirkung sicher ungewöhnlich und nur machbar, wenn sich sowohl die Schule wie die Schulleitung damit identifizieren: Künstlerische wie finanzielle Freiräume erhielt die AG durchgängig, angefangen von Hans Friedmann, Motor und Schauspieler der ersten Stunde, über Klaus Lienert, immer noch für Dokumentation zuständig, bis hin zu Rektor Werner Franz.

Parallel zur Theater-AG entstand 1984 die Burgbühne und die permanente Zusammenarbeit der  Bühnen ist vorteilhaft  für beide: Kooperation beim Bühnenbild und bei Kostümen, Nachwuchsförderung im technischen wie im schauspielerischen Bereich, Zusammenarbeit mit Profis, die eine Passion für Amateure haben. Für die Stadt ein kulturelles Geschenk, das sie auch würdigt: An der historischen Stadtmauer entstand ein Freilichttheater, im angrenzenden historischen Gebäude die Kleinkunstbühne – mit Unterstützung des Vereins. Beide Gruppen haben damit Fundus, Umkleideräume, Probe- und Aufführungsraum – mit entsprechendem technischem Equipment. Viele Ehemalige haben in der Burgbühne weitergemacht und auch viele Junge Bühne-Techniker engagieren sich in der Burgbühne. „Fast jeder Theater-Techniker, der die Realschule beendet hat, hat sein Hobby in irgendeiner Form zum Beruf gemacht“ (Bruno Männle).


Kooperation mit der Musikschule in „Die Schöne und das Biest“:(von links) die garstigen Schwestern (Vanessa Söllner-Kohler und Tanja Lüttner) und die „Schöne“ (Franziska Stürzel)

Ehemalige haben inzwischen Schauspiel studiert, sind in Engagements als Spieler, Dramaturg, Fernsehreporter und kommen als Autoren, Regisseure, Musikarrangeur zurück, Pädagogen haben Spiel positiv erfahren und geben die Erfahrung an ihren Wirkungsstätten weiter: Theatererziehung von unten.

Theater fordert und fördert viele Fähigkeiten von Kindern und Jugendlichen: Der „Muskel der Fantasie“ (A. Mnouchkine) wird gestärkt, sie überwinden die Angst vor dem Auftritt, machen die Erfahrung „Ich kann etwas“. Und das ist nicht zufällig, das ist das Ergebnis von langer und harter, manchmal schweißtreibender Arbeit und Disziplin. Man muss sich in einen anderen Menschen und unterschiedliche Situationen hineinversetzen – und das kann nicht auswendig gelernt sein, das kann nicht gepaukt werden, man muss sich auf die Suche begeben, was ist das für ein Mensch, den ich verkörpere. Es ist immer auch ein Stück Weg zu sich selbst und zu den anderen. Gleichzeitig werden auch ganz handfeste Fertigkeiten gefordert: mit Licht, Ton, Holz und Kostümen umzugehen und auch ein Auge darauf zu haben, dass die Kasse stimmt, denn die AG finanziert sich – mit Hilfe von Sponsoring – selbst.


Saalinszenierung „Krabat“ mit Thomas Geiss und Paul Vollmer als Krabat

„Von dem Moment an, als ich den Garten des „freche hus“ betrat, hatte mich die Magie des Theaters gepackt, kräftig durchgeschüttelt und ‚Hallo, da bin ich! Und ich geh auch nie wieder weg!’ gerufen. Ich war bereit, alles zu tun, um auf dieser Bühne stehen zu können. Und so bleibt nur eins zu sagen: Eines der wichtigsten Dinge in der Erziehung und der Entwicklung eines Jugendlichen ist, seine Stärken und Talente rechtzeitig zu entdecken, vollständig auszugraben und zu fördern, egal in welchem Bereich.“, schreibt Carsten Dittrich, inzwischen mehrfach  als Regisseur engagiert.


Jürgen Wurth als Shir Khan im“Dschungelbuch“

Die pädagogische Aufgabe und Wirkung des Theaters, die soziale Komponente  ist den Theatermachern ungleich wichtiger – sie mit der künstlerischen Aufgabe und attraktiven Stücken  zu verbinden, ist das Ziel, das sich  auch der neue Leiter Stefan Kowalsky setzt. Mit im neuen Theaterboot ist Frauke Baldus-Fleck und Musiklehrerin Sarah Rühle. Theaterpädagogin Tanja Lüttner wird im Winter wieder „Die Abenteuer von Pettersson und Findus“ aufnehmen. Mit dabei sind auch weiterhin die beiden ehemaligen Leiter Arthur Hilberer und Johanna Graupe- eine kooperative Zusammenarbeit, die bei annähernd 100 Mitwirkenden  notwendig und fruchtbar ist.


Theaterpädagogin Tanja Lüttner als Rafiki in "Simba"
 

Die beiden Erzkomödianten (von links) Arthur Hilberer und Thomas Geiss in „Peter Pan“

Am 12 7. ist die Premiere des nächsten Freilichtspektakels, die darauffolgenden Wochenendaufführungen sind sowohl am Samstag wie am Sonntag um 15.00 Uhr, nicht wie üblich um 16.00 Uhr – auch wenn die Deutschen nicht mehr bei der WM dabei sind. 

Text: Johanna Graupe   Fotos: Klaus Lienert und Johanna Graupe
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